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AutorenbildReinhard Malin

Volatilität - kein abschliessender Risikoindikator

Häufig wird bei der Frage, wie risikoreich eine Anlage ist, reflexartig auf die Volatilität geschaut. Die Volatilität ist als einziger Risikoindikator jedoch ungenügend! Sie beruht auf vergangenen Ent- wicklungen. Das Risiko kann jeweils nur aufgrund von Vergangenheitswerten berechnet werden. Die Aussage lautet: Wir wissen, dass die Entwicklung der Performance bei diesem Produkt in der Vergangenheit X war bei einer Volatilität von Y. Über die Zukunft wird damit aber keine Aussage getroffen.


Ausserdem ist die Volatilität zeitraumbezogen. Je nach Wahl des Vergleichszeitraums (Zeitreihen in der jüngeren oder älteren Vergangenheit), der konkreten Vergleichswerte (in einer Boom-/Baisse- oder Stagnationsphase), und der Kadenz der Vergleichswerte (mehrjährig, jährlich, monatlich, täglich,...) kann sie völlig unterschiedliche Aussagen transportieren. Die Volatilität kann in Phasen wenig schwankender Kursverläufe sogar zum widrigen Schluss führen, dass ein Finanzinstrument trotz konstanter Anlagestrategie und Zusammensetzung über den Zeitverlauf einem scheinbar unterschiedlichem Risiko ausgesetzt ist.


Die Volatilität erhöht sich, wenn die Aktie in einer Phase stark steigt oder fällt. Nach so einem Ereignis müssten dann sämtliche Risikoanalysen umgeschrieben werden, die sich rein auf die Volatilität beziehen. Diese ist ja gestiegen. Damit hätte das gleiche Finanzinstrument jetzt plötzlich ein höheres Risiko. Und wenn sich die Kurse wieder auf das ursprüngliche Niveau einpendeln, ist es nur eine Frage der Zeit und der Wahl der statistischen Parameter im obigen Sinn, bis das Risiko (scheinbar) wieder gering ist. Solche nur dem aktuellen Kurs folgende Risikoeinschätzungen sind aber völlig unzweckmäßig. Wenn grosse Kurssprünge und -einbrüche möglich sind, dann ist das Investment risikoreich, egal ob sie im konkreten Betrachtungszeitraum tatsächlich eingetreten sind oder nicht.


Folgende Illustration verdeutlicht diesen Umstand anhand eines Vergleichs eines Sparbuchs mit variable Verzinsung (zw. knapp 2% und 4%) und einer fiktiven Aktie mit folgendem Kursverlauf (100,00 - 100,48 - 101,50 - 103,05 - 103,00):

Sparbuch

var. Zins p.a.

Abweichung

Aktie

Rendite p.a.

Abweichung

1.1.

100,00

100,00

1.4

101,00

4,00%

1,00%

100,48

1,92%

1,08%

1.7.

101,95

1,88%

1,12%

101,50

3,00%

0,00%

1.10.

102,35

3,13%

0,13%

103,05

4,07%

1,07%

1.1.

103,00

3,00%

103,00

3,00%

0,00%

Mittelwert

Volatilität

Mittelwert

Volatilität

3,00%

0,56%

3,00%

0,54%

Man erkennt, dass auf der Basis der gewählten Betrachtungsparameter die Performance dieselbe ist (3%). Die Volatilität ist aber bei der Aktie geringer als beim Sparbuch (0,54% statt 0,56%). Wenn man nun nur diese Kennzahl zur Risikoeinschätzung heranzöge, kame man zum Schluss, die Aktie sei risikoärmer als das Sparbuch. Es leuchtet ein, dass dies kaum tatsächlich der Fall sein wird.


Sparbuch

Rendite*

Abweichung

H&M

Rendite

Abweichung

13.02.03

9,83

9,83

13.05.03

10,09

2,60%

0,38%

9,88

2,03%

0,07%

01.09.03

10,33

2,40%

0,18%

9,90

0,18%

0,68%

14.11.03

10,53

1,93%

0,30%

10,00

0,30%

0,20%

09.02.04

10,73

1,97%

0,26%

10,09

0,26%

0,54%

Mittelwert

Volatilität

Mittelwert

Volatilität

2,23%

0,28%

2,10%

0,37%

* http://www.oenb.at; Pfad: Statistik und Meldewesen/Dynamische Abfragen/Zinssätze und Wechselkurse


In beiden Fallen war die Rendite fast gleich hoch bei in etwa entsprechenden Volatilität von weit unter 1% (0,28% und 0,37%). Aus diesen Volatilitätskennzahlen könnte man ableiten, dass die H&M Aktie in etwa gleich risikoreich ist, wie ein durchschnittliches Sparbuch. Die Widersinnigkeit dieser Aussage sticht sofort ins Auge. Eine Aktie ist per se risikoreicher als ein Sparbuch, denn sie ist weit mehr Risiken und weit akzentuierter ausgesetzt als ein Sparbuch. Ein Sparbuch kennt keinen Kursverlust. Eine Aktie schon. Ein Sparbuch zahlt auch dann Zinsen, wenn die Bank keine Gewinne macht. Macht die Aktiengesellschaft keine Gewinne, gibt es dagegen keine Dividenden. Geht die Bank in Konkurs, dann ist das Sparbuch (bis EUR 100.000) von der Einlagensicherung gedeckt. Der Aktieninhaber wird hingegen letztranging bedient. Der Liquidationserlös ist in der Regel nahezu null. Ebenso haben sonstige Risiken (geschäftspolitische, reputative Risiken) kaum einen Einfluss auf den Zahlungsstrom eines Sparbuches. Ganz anders natürlich bei einer Aktie, wo gerade die Reputation - also die Meinung des Marktes - entscheidend für den Kurs ist. Eine Aktie unterliegt einem typischen Risiko, weil sie eben eine Aktie ist und nicht etwa eine Schuldverschreibung. Sie verbrieft das Recht auf einen Anteil auf Gewinnausschüttung und Liquidationserlös. Wenn die Gesellschaft keinen Gewinn macht und der Unternehmenswert sinkt, dann sinkt auch der Wert dieses Rechts. Daran ändert nur eine Änderung des Wertpapier- bzw. Gesellschaftsrechts (durch den Gesetzgeber) etwas, nicht jedoch die aktuelle Marktlage. Dass abträgliche makroökonomische Umstände oder auch reputationsschädigende Diskussionen in der Öffentlichkeit einen negativen Kurseffekt haben, ist zu jeder Zeit klar, egal ob dieser Kurseffekt tatsächlich eingetreten ist oder nicht. Es muss also zwischen einem jederzeit inhärenten Risiko und einem punktuell schlagend werdenden Risiko unterschieden wird. Ein Kurseinbruch erhöht zwar die Volatilität aber das Risiko grundsätzlich nicht. Eine Kursberuhigung verringert das Risiko nicht. Solange sich keine fundamentalen Voraussetzungen der Investition ändern (wie z. B. die Zusammensetzung und Strategie), ist das "objektive/wirkliche" Risiko zu jedem Zeitpunkt genau gleich hoch. Die Frage ist nur, ob es der Analyst richtig erkennt. Ausschliesslich anhand der Volatilität ist das nicht möglich. Sie darf nur als Ergänzung der gesamthaft zur Verfügung stehenden Informationen herangezogen werden und dann möglichst auch nur auf der Basis eines langen Betrachtungszeitraums.

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